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Christian Müller (01.12.2012 - 30.11.2015)

Doing Jazz. Zur Konstitution einer kulturellen Praxis


 

Angaben zur Person

Kontakt: christian müller  muellerchristian@posteo.de

  • 1995-1996 Ausbildung zum Schreiner
  • 1996-1999 Ausbildung zum Technischen Zeichner
  • 1999-2000 Angestellt als Technischer Zeichner
  • 2000-2003 Abitur am Abendgymnasium Darmstadt
  • 2004 Zivildienst
  • 2004-2011 Studium Soziologie, Psychologie, Medienwissenschaft in Freiburg, Basel, Barcelona
  • 2011 Abschluss Magister Artium Soziologie. Titel der Magisterarbeit: Die Subjektform des unternehmerischen Selbst zwischen Autonomie und Fragmentierung - Eine empirische Untersuchung zum Wandel der Subjektkulturen
  • 2012-2015 Stipendiat des DFG-Graduiertenkollegs 1288 „Freunde, Gönner, Getreue“ an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau


 

Publikationen

Müller, C. (2017), „Doing Jazz. Zur Konstitution einer kulturellen Praxis.“ Weilerswist: Velbrück Wissenschaft.
 

Müller, C. (2017), „Mit manchen passiert es und mit manchen eben nicht“ - Jazzimprovisation und affektive Vergemeinschaftung. In: Müller, C. / Edinger, S. / Alvarado-Leyton, C. (Hrsg.) „Freundschaft und Patronage. Eine Bilanz nach neun Jahren Erforschung sozialer Nahbeziehungen in historischer, anthropologischer und kulturvergleichender Perspektive.“ V&R unipress, Göttingen.
 

Müller, C. (im Erscheinen), „Jazz happens. Oder: Interpretation improvisierter Interaktion.“ In: Brabec de Mori, B./ Winter, M. (Hrsg.): „Auditive Wissenskulturen. Das Wissen klanglicher Praxis.“ Springer Verlag für Sozialwissenschaften. 

 

Müller, C. (2011), „Die Subjektform des unternehmerischen Selbst zwischen Autonomie und Fragmentierung. Eine empirische Untersuchung zum Wandel der Subjektkulturen.“ Verfügbar unter: https://www.freidok.uni-freiburg.de/data/8470


Dissertationsprojekt

Doing Jazz. Zur Konstitution einer kulturellen Praxis

Erstbetreuung: Prof. Dr. Ulrich Bröckling
Tutorin: Prof. Dr. Judith Schlehe

 

Das geplante Dissertationsprojekt hat zum Ziel, das Musikgenre des Jazz als eine Form kultureller Praxis zu untersuchen. Das zentrale Erkenntnisinteresse liegt dabei auf der spezifischen Besonderheit der Struktur der sozialen Nahbeziehungen, die sich daraus konstituieren und einer solchen Praxisform gleichermaßen zu Grunde liegen. Jazz bildet dabei gleichermaßen eine Gemeinschaft des Geistes als auch eine community of practice. Ausgangspunkt ist die Idee, diese beiden Formen von Vergemeinschaftung nebeneinander zu stellen, um einerseits das Spezifische des Praxisphänomens Jazz herauszuarbeiten, andererseits aber auch wechselseitige Einflüsse zwischen der Musik und dem Sozialen zu untersuchen. Kann eine Verbindung auf musikalischer Ebene in der Sphäre des Sozialen Vertrautheit, Freundschaft, Kollegialität oder Sympathie stiften? Oder stellt die Interaktionsdynamik der Musik eine eigene Form der sozialen Integration dar, die außerhalb dieser Praxis womöglich keinen Nährboden findet?

Dem Spiel eines Jazzstückes liegt zunächst keine gegebene Form zu Grunde. Es findet zwar häufig eine Orientierung an Standards statt, aber die Ausführung an sich stellt immer eine Verschränkung von gemeinsamer und individueller Improvisation dar, die eine besondere Form von Kommunikation unter den Beteiligten voraussetzt. In anderen Variationen, etwa im Free Jazz, existiert keinerlei Orientierungsrahmen - die gesamte harmonische und rhythmische Struktur muss im Moment des Spiels ad hoc erzeugt werden. Somit ist es notwendig, eine möglichst große gemeinsame Schnittmenge zu erzeugen, innerhalb derer es zum „sharing of the other’s flux of experiences in inner time“ (Schütz) kommt. Dafür sind hochintuitive Fähigkeiten non-verbaler Abstimmung und wechselseitiger Empathie erforderlich. Eine These in diesem Zusammenhang wäre, dass es sich beim Jazz um ein Phänomen der Affekterzeugung und -übertragung handelt, also auch um eine gemeinsame emotionale Erfahrung. Schon Durkheim weist auf die Rolle von Gefühlen als basale Kategorie der Weltwahrnehmung und zugleich integratives Moment der Gemeinschaftsbildung hin. Dabei muss eine Gruppe zunächst in der Lage sein, ein solches Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen, für das Empathie und wechselseitige intuitive Koordination unabdingbar sind. Die so entstandene Gruppenkohärenz wird im Moment der gemeinsamen Handlung verstärkt und reproduziert.

Ein wichtiger Punkt in der Praxis des Zusammenspiels erschließt sich zudem über die Ebene der Materialität bzw. der Artefakte. Die Musikerinnen und Musiker einer Jazzband begegnen sich in einer hybridartigen Verbindung als ›Be-Spielerinnen und Bespieler‹ von Instrumenten. Diese sind Mittel des expressiven Ausdrucks im Diskurs affektiver und emotionaler Phänomene, die die Beteiligten voreinander äußern, miteinander teilen, die sich untereinander übertragen und auf die sie reagieren. Das Instrument ist dabei ein Ausdrucksmedium, verfügt aber zugleich über eine Art Eigenleben. Somit findet eine wechselseitige Dynamik des Embodiment statt. Der Musiker inkorporiert das Instrument und benutzt es im Idealfall wie einen Teil seines Körpers, wird gleichermaßen aber auch selbst von dessen Eigendynamik inkorporiert. Die kollektive Erzeugung eines Affektphänomens wie Jazz ist unter Einbezug dieser Ebene umso interessanter, als dass es sich dabei um die Interaktion und Integration einer hochkomplexen Subjekt-Objekt-Verbindung handelt. Empirisch stellt sich hier etwa die Frage, wie und in welcher Form die Musiker sich selbst und die anderen in der Situation des Zusammenspiels wahrnehmen, also wiederum auf welche Weise Gemeinschaft hier interaktiv konstruiert wird.

Die Frage nach Doing Jazz und dem Geist des Jazz stellt sich sowohl im Moment der musikalischen Praxis als auch auf diskursiver Ebene. Entsprechend soll eine Kombination aus empirischen Methoden der Musikethnologie (Teilnehmende Beobachtung, Audio- und Videoaufnahmen) sowie der qualitativen Interviewforschung (Gruppendiskussionen und Einzelinterviews) zum Einsatz kommen. Darüber lassen sich zwei verschiedene Modi des Sozialen abbilden: Eine Band, die im Medium der Musik interagiert und kommuniziert und eine soziale Gruppe, die sich im Kommunikationsmedium der Sprache reflexiv über diese geteilte Praxis austauscht. Beide Situationen haben unterschiedliche Charakteristika, aber in beiden Fällen wird eine eigene Form von Sinn ausgehandelt und konstruiert.

Über die Verschränkung der beiden Untersuchungsebenen mit unterschiedlichen methodischen Werkzeugen soll die Arbeit einen Teil dazu beitragen, Erkenntnisse über die Spezifizität der sozialen Nahbeziehungen zu gewinnen, die im Zuge der kulturellen Praxis des Jazz eine Rolle spielen und auch darüber, wie diese sich in der Musikform selbst abbilden. Die Untersuchung von Jazz erlaubt dabei einen exemplarischen und vielschichtigen Blick auf Aspekte sozialer Integration im Zuge der Dynamik kultureller Praxisformen.  

Kontakt
  • Postadresse:

    Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
    DFG-Graduiertenkolleg 1288
    c/o Historisches Seminar
    Rempartstr. 15 - KG IV
    79085 Freiburg 
     
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    DFG-Graduiertenkolleg 1288
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