Jonathan Ahles (Stipendiat seit 01.06.2009)
Asketische Selbsttechniken und soziale Nahbeziehungen. Philosophie als gemeinschaftliche Selbstformung
Angaben zur Person
Geb. am 04.04. 1982 in Freiburg i. Br.
E-Mail: jonathan.ahles@grk-freundschaft.uni-freiburg.de
2002: Abitur
2002-2003: Wehrdienst
2003-2009: Studium der Philosophie, Psychologie und Kognitionswissenschaft an der
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Thema der Magisterarbeit: Philosophie als Selbstformung im Ausgang der Stoa. Ansätze zu einer Phänomenologie der askesis
2005-2006: Wissenschaftliche Hilfskraft am kognitionswissenschaftlichen Institut der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
2008: Praktikum im Verlag Karl Alber, Freiburg und im Verlag Herder, Freiburg
Stoische Philosophie; antike Tugendlehren; interkulturelle Philosophie; Michel Foucault; Philosophie der Kyotoschule
Dissertationsprojekt:
Asketische Selbsttechniken und soziale Nahbeziehungen Philosophie als gemeinschaftliche Selbstformung
Erstbetreuer: Prof. Dr. Hans-Helmuth Gander
Zweitbetreuerin: Prof. Dr. Sitta von Reden
Das Ziel meines Dissertationsprojektes ist es, die Struktur ausgewählter philosophischer Exerzitien im Kontext ihrer Einbettung in soziale Nahbeziehungen zu untersuchen. Philosophische Exerzitien als Einübung (askesis) in ein tugendhaftes und glückliches Leben finden sich in den meisten philosophischen und religiösen Strömungen des Hellenismus und der Spätantike. Diese „Arbeit an sich selbst“ findet nie nur innerhalb eines gleichsam hermetischen Subjektraums statt, sondern ist immer auch eingebunden in soziale Beziehungen und Verhältnisse. Im Verlauf dieser Untersuchung soll der Vollzug dieser gemeinsamen asketischen Selbstbildung erarbeitet werden, also nach der Struktur, dem Aufbau und der konkreten Durchführung einer übenden Selbstformung und ihrer Rückwirkung und ihrer Bedeutung für soziale Nahbeziehungen gefragt werden. Den Fokus der Analyse bilden die asketischen Systeme des Hellenismus und die selbstverändernden Praktiken des frühchristlichen Mönchtums.
Insbesondere folgende Fragen sollen in der Dissertation untersucht werden:
Inwiefern sind freundschaftliche oder erzieherische Beziehungen konstitutiv für den Vollzug asketischer Praktiken? Wenngleich die meisten asketischen Selbsttechniken zwar im Kontext von Freundschafts- oder Lehrer/Schüler-Verhältnissen angesiedelt sind, ist ihre Durchführung doch durchaus ohne den unmittelbaren Bezug auf einen Anderen zu denken. Es lassen sich jedoch einige Techniken isolieren, die in ihrem Vollzug zwingend auf ein Gegenüber angewiesen und hingeordnet sind. Diese gilt es herauszuarbeiten.
Können asketische Übungstechniken soziale Nahbeziehungen begründen, prägen oder gestalten? Wenn ja, wie geschieht dies genau? Die Entstehung der frühen Mönchsorden in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten bietet hier ausgezeichnete Möglichkeiten, die Entfaltung einer abgeschlossenen Gemeinschaft im Rahmen einer durch asketische Selbstveränderung geprägten Umgebung nachzuvollziehen. Die je eigene Ausgestaltung des brüderlichen Zusammenlebens im Klosterverbund als auch die jeweilige Übungspraxis gilt es zu rekonstruieren, um dann daran anschließend mögliche Punkte der gegenseitigen Beeinflussung und Bedingung herauszuarbeiten.
Kann schließlich die Pflege und Entwicklung einer Freundschaft selbst als subjektverändernde Übung und als Vollzug einer systematischen und zielgerichteten Tätigkeit begriffen werden? Hier soll untersucht werden, ob subjekttransformierende Effekte von Freundschaftspraktiken gezielt hergestellt bzw. eingeübt werden können. Dabei berücksichtige ich den Umstand, dass eine „übende Freundschaftspraxis“ zwar als Phänomen vorhanden sein, aber nicht vollständig innerhalb der Begrifflichkeiten asketischer Techniken verortet werden könnte.
Zuletzt wird sich die Arbeit der Frage zuwenden, ob der Ziel- und Endpunkt einer selbstverändernden askesis als „Freundschaft mit sich selbst“ beschrieben werden kann, wie dies antike Darstellungen nahelegen. Wie wird dieses Verhältnis hergestellt und welche Charakteristika desselben könnten es erlauben, hier von „Freundschaft“ zu sprechen?
Die Beantwortung dieser Fragen soll am Ende zu einem umfassenden Überblick über die verschiedenen Weisen führen, in denen sich freundschaftliche Nahbeziehungen im Umkreis von selbstverändernden asketischen Übungsprogrammen entfalten. Im Bild sozialer Beziehungen wird so ein Aspekt besonders hervorgehoben: Freundschaft und Bruderschaft als Gegenstand, Ziel und Voraussetzung einer übenden Selbstveränderung.